Warum gibt es die Pflegestärkungsgesetze?
Hintergründe zur Einführung der Gesetze
Bevor die Pflegestärkungsgesetze verabschiedet wurden und in Kraft traten, war die pflegerische Unterstützung für Menschen mit einer Demenzerkrankung oder psychischen Problemen oft schlecht. Die Pflegeleistungen fielen minimal aus und die Betreuung der pflegebedürftigen Personen lastete in vielen Fällen auf den Schultern der Angehörigen.
Auch das System der damals geltenden Pflegestufen war problematisch. Um eine höhere Pflegestufe zu erhalten, war ein Umstand ausschlaggebend: der Zeitaufwand für die körperliche Pflege von Pflegebedürftigen. Nur, wenn der Aufwand erheblich ausfiel, war pflegebedürftigen Personen der Zugang zu einer höheren Pflegestufe möglich. Das bedeutete, dass im alten Pflegesystem Menschen mit körperlichen Erkrankungen deutlich bevorzugt wurden. Menschen mit beispielsweise psychischen Erkrankungen hatten es hingegen häufig schwer, eine höhere Pflegestufe und somit mehr Pflegeleistungen zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund wurde die Diskussion um eine umfassende Pflegereform laut. Der Begriff der Pflegebedürftigkeit sollte neu definiert und die alten Pflegestufen sollten durch ein neues System der Pflegegrade ersetzt werden. Zu diesem Zweck wurden vom Gesetzgeber die drei Pflegestärkungsgesetze (PSG 1, PSG 2 und PSG 3) verabschiedet, die letztendlich in den Jahren 2016 und 2017 in Kraft traten.
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Erstes Pflegestärkungsgesetz (PSG 1)
Das erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Mit dem neuen Gesetz ging einher, dass viele Pflegeleistungen erhöht wurden, durchschnittlich um vier Prozent. Die Leistungen für Menschen mit einer Demenzerkrankung wurden sogar noch mehr erhöht.
Höhere Leistungen für Pflegehilfsmittel
Der monatliche Zuschuss der Pflegekassen für sogenannte Pflegehilfsmittel zum Verbrauch – dazu gehören etwa Desinfektionsmittel und Einweghandschuhe – wurde von 31 auf 40 Euro erhöht.
Bessere Förderung der Tages- und Nachtpflege
Früher wurden die Leistungen für die Tages- und Nachtpflege mit den Pflegesachleistungen und dem Pflegegeld verrechnet. Das änderte sich mit der Einführung des ersten Pflegestärkungsgesetzes. Seither gibt es ein eigenes Budget für die teilstationäre Pflege.
Mehr Leistungen für Demenzkranke
Ob es um Demenzkranke, Personen mit geistigen Handicaps oder psychischen Erkrankungen geht – diesen Menschen standen bestimmte Pflegeleistungen erst dann zu, wenn die entsprechende Krankheit schwere körperliche Auswirkungen zur Folge hatte. Auch das änderte sich mit dem Inkrafttreten des ersten Pflegestärkungsgesetzes. Seither haben auch diese pflegebedürftigen Menschen einen Anspruch auf beispielsweise die Kurzzeitpflege nach Krankenhausaufenthalten, die Tages- und Nachtpflege und auf den Zuschuss zur Wohnraumanpassung.
Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege in Kombination
Seitdem es das PSG 1 gibt, ist es möglich, die Verhinderungs- und Kurzzeitpflege miteinander zu kombinieren. Das bedeutet: Bleibt ein Teil der Leistung für die Kurzzeitpflege ungenutzt, kann dieser teilweise für die Verhinderungspflege verwendet werden – oder umgekehrt.
Mehr Geld für Wohnraumanpassung
Ehemals lag der Zuschuss für die barrierefreie Wohnraumanpassung bei 2.557 Euro. Der Zuschuss wurde mit dem Inkrafttreten des PSG 1 deutlich erhöht – und zwar auf 4.000 Euro. Zudem darf diese finanzielle Unterstützung jetzt auch von pflegebedürftigen Menschen mit einer eingeschränkten Alltagskompetenz in Anspruch genommen werden. Dazu gehören unter anderem Personen mit einer Demenzerkrankung.
Einrichtung eines Pflegevorsorgefonds
Mit der Einführung des ersten Pflegestärkungsgesetzes ging auch eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung einher. Diese wurden um 0,3 Prozent erhöht, wobei ein Teil der zusätzlichen Einnahmen in einen neuen Pflegevorsorgefonds floss. Die Mehreinnahmen sollen dazu dienen, künftige Beitragserhöhungen abzumildern.
Mehr Betreuung und Personal in der stationären Pflege
Ein wichtiges Ziel der Neuerungen im Zuge des PSG 1 bestand darin, die Lebensqualität in Pflegeheimen zu verbessern und Alltagskompetenzen von Bewohnern zu erhalten bzw. zu stärken. Deshalb wurden im Rahmen des ersten Pflegestärkungsgesetzes zwei Aspekte verpflichtend verankert – zusätzliches Personal in Pflegeheimen und Angebote zur Betreuung und körperlichen Aktivierung.
Zweites Pflegestärkungsgesetz (PSG 2)
Das zweite Pflegestärkungsgesetz stellt die wohl bedeutendste Reform der Pflegeversicherung seit ihrer Gründung im Jahr 1995 dar. Das liegt an den grundlegenden Veränderungen, die mit der Reform einhergingen: Die Pflegebedürftigkeit wurde neu definiert, ein neues Begutachtungssystem wurde eingeführt und die Pflegestufen wurden durch die neuen fünf Pflegegrade ersetzt. Seither stehen sowohl Menschen mit einer Demenzerkrankung und allgemein „eingeschränkter Alltagskompetenz“ als auch pflegebedürftigen Personen mit dauerhaft körperlichen Einschränkungen die gleichen Leistungen zu.
Neue Definition von Pflegebedürftigkeit
Die Pflegebedürftigkeit einer Person wurde früher danach beurteilt, wie intensiv und zeitaufwendig der körperliche Pflegebedarf war. Das änderte sich mit der Einführung des PSG 2. Denn seither gilt der Grad der noch vorhandenen Selbstständigkeit einer Person als entscheidendes Kriterium für die Beurteilung und Einstufung der Pflegebedürftigkeit.
Pflegegrade ersetzen Pflegestufen
Eine weitere grundlegende Veränderung war, dass zum Jahresbeginn 2017 die bis dahin geltenden Pflegestufen von den neuen fünf Pflegegraden abgelöst wurden. Seither gilt: je unselbstständiger eine Person, desto höher der Pflegegrad und die damit einhergehenden Leistungen der Pflegekasse.
Neues Begutachtungssystem (NBA)
Die Tatsache, dass mit dem PSG 2 die Pflegebedürftigkeit neu definiert wurde und man zudem neue Pflegegrade etablierte, machte auch die Einführung eines neuen Begutachtungssystems notwendig – es entstand das sogenannte Neue Begutachtungsassessment, kurz NBA. Auf Basis des neuen Systems beurteilen Gutachter seither die noch vorhandene Selbstständigkeit von Personen und schlagen auf Grundlage der Ergebnisse einen entsprechenden Pflegegrad vor. Handelt es sich um gesetzlich Versicherte, wird das Gutachten vom Medizinischen Dienst (MD) erstellt. Für die Begutachtung von privatversicherten Personen ist Medicproof zuständig.
Drittes Pflegestärkungsgesetz (PSG 3)
Das dritte Pflegestärkungsgesetz wurde eingeführt, um auf kommunaler Ebene des Pflegesystems Aufgaben und Befugnisse neu zu ordnen.
Befugnisse für Kommunen
Mit dem PSG 3 wurde vor allem das Ziel verfolgt, vor Ort die Beratungsangebote für Pflegende und Pflegebedürftige zu verbessern. Um das zu gewährleisten, wurden die Kommunen stärker in die Pflicht genommen und deren Befugnisse erweitert. Vor diesem Hintergrund erhielten Kommunen beispielsweise ein Initiativrecht, das der Errichtung neuer Pflegestützpunkte diente. Dadurch sollten Hilfesuchenden mehr Anlaufstellen für Beratung angeboten werden.
Kontrollen gegen Betrug
Schwarze Schafe kann es überall geben, auch im Pflegesystem. Gerade deshalb wurden im Rahmen des PSG 3 bestimmte Regelungen zum Schutz vor Betrugsmaschen verankert. So sind nun nicht nur der Medizinische Dienst, sondern auch die Pflege- und Krankenkassen dazu berechtigt, zum Beispiel Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei ambulanten Pflegediensten durchzuführen.
Zuständigkeit der Kostenträger
Wer trägt eigentlich die Kosten für die Pflege von Menschen mit einer Behinderung? Um diese Frage zu klären, wurden im PSG 3 entsprechende Bestimmungen geregelt.
Waren Menschen mit einer Behinderung auf die ambulante Pflege angewiesen, erhielten sie Eingliederungshilfe nach dem Teilhabegesetz (SGB IX). Seit Einführung des PSG 3 werden die entsprechenden Pflegeleistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) erbracht.
Wenn Menschen mit einer Behinderung vor allem auf Eingliederungshilfe gemäß dem Teilhabegesetz (SGB IX) angewiesen sind, werden die Kosten für die notwendige häusliche Pflege von den zuständigen Kostenträgern übernommen, nicht mehr von den Pflegekassen.
Menschen mit Behinderung, die in einer stationären Pflegeeinrichtung betreut werden, können seit PSG 3 sowohl Leistungen der Pflegeversicherung als auch der Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen.
Häufig gestellte Fragen
Die Pflegestärkungsgesetze schaffen die rechtlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zur Verbesserung der Situation in der Pflege. So sind seit Einführung der Pflegestärkungsgesetze beispielsweise die Leistungsansprüche für Pflegebedürftige gestiegen.
Insgesamt gibt es drei Pflegestärkungsgesetze. Das erste Pflegestärkungsgesetz trat nach seiner Verabschiedung am 1. Januar 2015 in Kraft.